Quantenphysik: Wo sich Quanten- und Relativitätstheorie treffen
Physiker der FAU widmet sich einer der großen Fragen in der Physik
Die Physik hat ein Problem: Ihre beiden zentralen Modelle – Quanten- und Relativitätstheorie – passen nicht zusammen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert nun den Physiker Dr. Wolfgang Wieland von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) im Rahmen des Heisenberg-Programms, um an einem Ansatz zu bauen, mit dem sich die beiden Theorien in einem bestimmten Problembereich aussöhnen lassen. Eine jetzt erschienene Publikation macht Hoffnung, dass das funktionieren könnte. Die Arbeit wurde in der Fachzeitschrift „Classical and Quantum Gravity“ veröffentlicht.*
Es gibt im Universum vier fundamentale Kräfte: Gravitation, elektromagnetische Wechselwirkung, schwache Wechselwirkung und starke Wechselwirkung. Während die allgemeine Relativitätstheorie die Gravitation beschreibt, behandelt die Quantentheorie die drei anderen Kräfte. Das Problem dabei: „Schon in den 1930er Jahren hat man erkannt, dass beide Theorien nicht zusammenpassen“, erklärt Dr. Wolfgang Wieland, der am Lehrstuhl für Quantengravitation der FAU ein Heisenberg-Projekt zu dieser Thematik leitet.
In der Regel hat das keine größeren Auswirkungen: Die allgemeine Relativitätstheorie dient vor allem dazu, das Verhalten großer Massen im Universum zu berechnen. Die Quantentheorie richtet ihren Blick dagegen auf die Welt der allerkleinsten Dinge. Um bestimmte Phänomene wie den Urknall oder schwarze Löcher besser zu verstehen, benötigt man jedoch ein Modell, das beide Konzepte vereint – die Quantengravitation. Denn in einem schwarzen Loch ist laut allgemeiner Relativitätstheorie alle Materie auf einem winzigen Punkt vereint. Man muss also verstehen, wie die gigantischen Massenanziehungskräfte im Mikrokosmos wirken – dort, wo eigentlich die Gesetze der Quantenmechanik gelten.
Vorstellungen von Ursache und Wirkung gelten in schwarzen Löchern nicht
Die Quantengravitations-Theorie könnte unsere Vorstellung von Kausalität unter extremen Bedingungen auf den Kopf stellen: „Die Zeit bestimmt den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung – Ursachen liegen in der Vergangenheit, Wirkungen in der Zukunft“, erklärt Wieland. „Diese Annahme ist in der Quantenmechanik fest eingebaut. Die allgemeine Relativitätstheorie sagt aber voraus, dass große Massen aufgrund ihrer Gravitation die Raumzeit verbiegen. In einem schwarzen Loch ist dieser Effekt so extrem, dass die Begriffe ‚vorher‘ und ‚nachher‘ keine Bedeutung mehr haben. Das hat enorme Auswirkungen auf unser Verständnis von Ursache und Wirkung.“
Seit Jahrzehnten versucht die Forschung, eine Theorie der Quantengravitation zu finden, mit der sich Aussagen unter solchen Extrembedingungen treffen lassen. Ein Problem dabei: In der Quantentheorie wird Energie in kleinstmögliche Pakete aufgeteilt, die Quanten. Beobachtungsgrößen wie Energie oder Drehimpuls können dabei keine kontinuierlichen, sondern nur diskrete Werte annehmen. Das hat auch Auswirkungen auf die elektromagnetische, schwache und starke Wechselwirkung – sie sind ebenfalls „gequantelt“. Bei der Gravitation ist es jedoch nicht ohne weiteres möglich, sie in Quanten zu zerlegen. Da sie laut Relativitätstheorie aus der Krümmung der Raumzeit entsteht, kann man jedoch versuchen, einen Umweg zu gehen. „Wir finden in unserem Ansatz, dass Raum und Zeit selbst nicht kontinuierlich sind, sondern aus kleinen Portionen bestehen“, erklärt Wieland. „Wenn diese These stimmt, dann wird sich auch die Gravitation mit Hilfe der Quantentheorie beschreiben lassen.“
Ist die Raumzeit granular?
In einer gequantelten Raumzeit kann man eine Tasse nicht um eine beliebige Distanz verrücken, sondern nur um feste Schritte. Ebenso gibt es dann keine Uhr, die den Zeitverlauf in beliebig feine Intervalle teilt – sie verläuft schrittweise, wie der Sekundenzeiger einer Bahnhofsuhr. In der makroskopischen Welt bekommt man davon allerdings nichts mit, weil diese Schritte extrem klein sind.
Eine wichtige Funktion in dieser Vorstellung einer gequantelten Raumzeit spielen die von Max Planck geprägten Planck-Einheiten. Dabei handelt es sich um ein fundamentales Einheitensystem, das sich allein aus der Lichtgeschwindigkeit und den Naturkonstanten der Gravitation und Quantentheorie bauen lässt. Aus den Planck-Einheiten lässt sich eine andere Konstante berechnen, die sogenannte Planck-Leistung. Um diese geht es in Wielands aktueller Publikation. „Nach aktuellem Verständnis kann die Leistung – also die Menge an Energie, die pro Zeiteinheit abgegeben werden kann, – in unserem Universum unendlich groß werden“, sagt er. „Das führt dazu, dass bei einer quantentheoretischen Beschreibung der Gravitation manche der dazu nötigen mathematischen Teilgleichungen unlösbar werden.“
In der Studie zeigt Wieland, dass es in einer gequantelten Raumzeit eine obere Schranke für die Leistung gibt. Diese Grenze, die sich ähnlich wie die Lichtgeschwindigkeit nicht überschreiten lässt, ist die oben angesprochene Planck-Leistung. Sie ist mit 1053 Watt unvorstellbar groß – aber eben doch begrenzt. „Wenn sich meine theoretischen Überlegungen bewahrheiten, wird es möglich sein, die Leistung von Gravitationswellen ebenfalls in kleinste Quanten zu zerlegen“, erklärt Wieland. In seinem Heisenberg-Projekt wird er sich nicht nur diesem Problem widmen, sondern unter anderem auch der Frage, wie die Gravitation die kausale Struktur der Welt beeinflusst.
*DOI: 10.1088/1361-6382/adb536
Weitere Informationen:
Dr. Wolfgang Wieland
Lehrstuhl für Quantengravitation
Tel.: 09131/85-28478
wolfgang.wieland@gravity.fau.de