Photovoltaik: Grundlagenforschung mit hoher Relevanz

Dominik Thiel (l.) und Phillip Greißel untersuchen in ihrem Laserlabor was mit Molekülen passiert, wenn man sie mit Licht anregt. (Bild: Phillip Greißel/Dominik Thiel)
Dominik Thiel (l.) und Phillip Greißel untersuchen in ihrem Laserlabor was mit Molekülen passiert, wenn man sie mit Licht anregt. (Bild: Phillip Greißel/Dominik Thiel)

Momentan verbrennen wir noch große Mengen fossiler Energieträger wie Erdöl oder Kohle, um unseren Energiehunger zu stillen. Dabei entsteht das Treibhausgas Kohlendioxid, das in der Atmosphäre wie eine wärmende Wolldecke wirkt. Es ist der Hauptgrund dafür, dass die Temperatur auf der Erde Jahr für Jahr ansteigt. Wollen wir den Klimawandel bremsen, müssen wir unsere Energieerzeugung daher umstellen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Photovoltaik-Anlagen, die Sonnenlicht zur Stromerzeugung nutzen.

Die Chemiker Phillip Greißel und Dominik Thiel vom Lehrstuhl für Physikalische Chemie I (Prof. Dr. Dirk Guldi) am Department Chemie und Pharmazie erforschen, wie sich dieser Prozess optimieren lässt. Ihre Ergebnisse könnten zur Entwicklung einer neuen Generation von Solarzellen beitragen, die deutlich effizienter sind als aktuelle Modelle. Wir haben mit den Wissenschaftlern gesprochen.

Herr Greißel, Herr Thiel, heutige Solarzellen wandeln maximal ein Viertel der Sonnenenergie in elektrische Energie um. Warum ist ihr Wirkungsgrad so gering?

Dominik Thiel: Das hat verschiedene Gründe. Einer davon ist, dass ein großer Teil der eingestrahlten Energie als Wärme verpufft. Um das zu verstehen ist es zunächst einmal wichtig zu wissen, dass Solarzellen aus sogenannten Halbleitermaterialien wie z.B. Silizium bestehen. Diese leiten Strom normalerweise sehr schlecht. Denn in ihnen gibt es per se erst einmal keine frei beweglichen Ladungsträger, die für einen Stromfluss notwendig sind. Die Elektronen, die dafür normalerweise in Frage kämen, werden alle für Bindungen zwischen den Atomen benötigt, aus denen die Solarzelle besteht.

Und das ändert sich, wenn Licht auf die Zelle trifft?

Dominik Thiel: Richtig. Denn wenn ein Lichtteilchen – ein Photon – auf ein Halbleiter-Atom trifft, kann es dort ein Elektron anregen. Das Elektron löst sich dann gewissermaßen und springt vom sogenannten Valenzband ins sogenannte Leitungsband. Auf diese Weise entsteht eine elektrische Spannung, die sich nutzen lässt, um zum Beispiel einen Motor anzutreiben oder Wasser zu kochen. Damit Elektronen ins Leitungsband springen können, benötigen sie allerdings eine bestimmte Mindestanregungsenergie. Ansonsten können sie die sogenannte Bandlücke nicht überwinden.

Wenn ein Photon zu energiearm ist, fällt der Schubser, den es den Elektronen versetzt, also zu gering aus, und das Leitungsband bleibt leer?

Phillip Greißel: So ist es. Wie energiereich Licht ist, hängt von seiner Farbe ab: Rotes Licht ist zum Beispiel energieärmer als gelbes und gelbes energieärmer als blaues. Mal angenommen, Sie haben eine Solarzelle, bei der die Bandlücke so groß ist, dass für ihre Überwindung gelbes Licht benötigt wird. Dann kann sie rotes Licht gar nicht nutzen, weil dessen Energie zu gering ist. Licht dieser Farbe erzeugt also keine Spannung – übrigens unabhängig davon, wie hell es ist. Denn eine größere Helligkeit bedeutet nur, dass es mehr „rote“ Photonen gibt, nicht aber, dass deren Energie höher ist. Und ein rotes Photon reicht eben nicht aus, um ein Elektron anzuregen. Die roten Photonen gingen in diesem Beispiel also quasi verloren.

Dominik Thiel: Ein „blaues“ Photon ist dazu jedoch in der Lage. Es hat sogar mehr Energie, als für den Sprung über die Bandlücke benötigt wird. Und diese überschüssige Energie wird normaler­weise als Wärme wieder abgegeben. Das ist selbst dann der Fall, wenn das Licht so energiereich ist, dass es theoretisch zwei Elektronen über die Bandlücke heben könnte: Es regt immer nur ein Elektron an, und der Energieüberschuss wird in Form von Wärme frei. Diese Verluste sorgen dafür, dass herkömmliche Solarzellen selbst im optimalen Fall keine höhere Effizienz als 33 Prozent erreichen können. Das ist der maximale theoretische Wirkungsgrad. Handelsübliche Zellen liegen heute meist bei 22 Prozent, also noch deutlich darunter.

Es gibt aber Ansätze, mit denen theoretisch 45 Prozent drin wären. Wie sehen die aus?

Phillip Greißel: Das ist genau das Thema, mit dem wir uns in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dirk Guldi am Lehrstuhl für physikalische Chemie und unter dem Dach des FAU Profilzentrums Solar beschäftigen. Dabei geht es um den Versuch, die überschüssige Energie nutzbar zu machen, so dass ein energiereiches Photon nicht nur einen freien Ladungsträger generiert, sondern zwei. Das ist ein Thema, an dem weltweit eine ganze Reihe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern arbeiten. Basis ist eine Methode, die sich „Singulett-Spaltung“ oder auf Englisch „singlet fission“ nennt: Die Aufspaltung eines hochenergetischen Elektronen-Anregungszustandes in zwei weniger energiereiche Elektronen-Anregungszustände. Dazu ist es nötig, dass diese beiden neuen Anregungszustände stabilisiert werden, damit man mit ihnen arbeiten und letztlich freie Ladungsträger erzeugen kann. Wir nutzen dafür bestimmte Moleküle und haben damit schon vielversprechende Ergebnisse erzielt.

Welche Moleküle kamen dabei zum Einsatz?

Dominik Thiel: In unserer letzten Studie haben wir eine Verbindung aus sechs identischen Molekülen genutzt, ein sogenanntes Hexamer. Dadurch konnten wir einerseits erreichen, dass sich die zwei weniger energiereichen Anregungszustände sehr schnell bilden. Zudem konnten sie sich aufgrund der Hexamer-Struktur räumlich trennen, indem sie sich durch Diffussion gewissermaßen zu unterschiedlichen Stellen der Verbindung bewegt haben. Durch eine solche Trennung werden sie deutlich stabiler. Eigentlich widersprechen sich die beiden Ziele „schnelle Bildung“ und „große Stabilität“. Sie sind aber beide wichtig, wenn wir energiereiches Licht effizient zur Erzeugung freier Ladungsträger nutzen möchten.

Woher wissen Sie, welche Verbindungen sich dazu eignen? Sie gehen ja wahrscheinlich nicht nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“ vor, oder?

Dominik Thiel: Nein, das nicht. Wir arbeiten einerseits mit Kolleginnen und Kollegen aus der theoretischen Chemie zusammen. Sie berechnen nach unseren Vorgaben dann beispielsweise, wie die Moleküle aussehen müssen, damit sie nach Anregung durch Licht einer bestimmten Energie eine Singulett-Spaltung durchführen. Mit diesen Ergebnissen bitten wir Gruppen in der Organischen Chemie, die entsprechenden Moleküle zu synthetisieren. Wenn die Synthese erfolgreich war, testen wir anschließend die Verbindungen und versuchen, ihr Verhalten besser zu verstehen, um sie dann – wieder im Zusammenspiel mit den Theoretikern – weiter zu optimieren.

Phillip Greißel: Das ist übrigens auch ein Aspekt, den wir beide sehr faszinierend finden: das Zusammenspiel verschiedener chemischer Disziplinen, um so irgendwann ein Molekül in den Händen zu halten, das genau die Eigenschaften hat, die wir von ihm erwarten. Wenn das klappt, ist es sehr befriedigend, vor allem, wenn es um eine so relevante Aufgabe wie unsere künftige Energiegewinnung geht.

Wann wird es die erste Solarzelle geben, die auf ihren Verbindungen basiert?

Phillip Greißel: Kurzfristig sicher nicht; noch handelt es sich um Grundlagenforschung. Um eine wirkliche Solarzelle zu erhalten, müssten wir unsere Verbindungen zudem noch mit einem Halbleiter kombinieren, der zu ihnen passt. Unsere Moleküle harmonieren allerdings nur mit ganz bestimmten, exotischen Halbleiter-Materialien. Ihr Funktionsprinzip lässt sich aber sicher auf andere Verbindungen übertragen, die dann vielleicht in herkömmlichen Silizium-Solarzellen ihren Dienst tun können. Zudem haben Kollegen von uns kürzlich gezeigt, dass sich mit unseren Singulett-Spaltungs-Molekülen im Labormaßstab tatsächlich Licht in elektrische Energie umwandeln lässt. Vom Massenmarkt ist das aber noch weit entfernt.

Wie geht es für Sie beide weiter?

Dominik Thiel: Ich befinde mich kurz vor dem Abschluss meiner Promotion und habe lange überlegt, ob ich danach eine wissenschaftliche Karriere anstreben soll. Letztendlich habe ich entschieden, dass ich lieber in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung eines Unternehmens arbeiten möchte, weil mich die Anwendungsnähe reizt. Spannend wäre auch die Arbeit an einem industrienahen Forschungsinstitut; das wäre die Brücke zwischen beiden Welten.

Phillip Greißel: Ich würde gerne in der Wissenschaft bleiben, gerne auch im Bereich regenerative Energien. Ich bin aber auch offen, was andere Themen anbelangt. Chemie ist ja zum Glück ein sehr vielfältiges Fach; das ist einer der Punkte, der mir daran so gut gefällt. Die Frage, wie Moleküle auf Licht reagieren, hat es mir allerdings momentan besonders angetan – auch aufgrund der hochinteressanten laseroptischen Methoden, mit der wir unsere Verbindungen untersuchen.

Weitere Informationen:

Dominik Thiel
Lehrstuhl für Physikalische Chemie I
dominik.dt.thiel@fau.de

Phillip Greißel
Lehrstuhl für Physikalische Chemie I
phillip.greissel@fau.de