Forschende züchten neue Kartoffelsorten für den Bio-Anbau

Die Kartoffelpflanze. (Foto: Sophia Sonnewald)
Die Kartoffelpflanze. (Foto: Sophia Sonnewald)

Ziel des Projekts: Bessere Krankheitsresistenz und größere Toleranz gegen Hitze und Dürre

Öko-Landwirtinnen und -Landwirte düngen ihre Felder nicht so stark und setzen weniger chemischen Mittel gegen Unkräuter, schädliche Insekten und Pilze ein. Das stellt besondere Anforderungen an die von ihnen angebauten Pflanzen. In einem Projekt unter Beteiligung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) wollen Beteiligte aus ganz Deutschland neue Kartoffelsorten für den Bio-Anbau züchten. Sie sollen sich durch eine geringere Anfälligkeit gegenüber Krankheiten sowie eine größere Hitze- und Dürre-Toleranz auszeichnen. Ziel ist zudem, dass sie Nährstoffe besonders effizient verwerten und sich gut verarbeiten lassen. Das Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung stellt für das Projekt bis Ende 2028 knapp 2,8 Millionen Euro zur Verfügung.

Ein winziger Schädling hat vermutlich den Lauf der Geschichte entscheidend beeinflusst: Zwischen 1845 und 1849 Jahrhunderts vernichtete der Erreger der Kraut- und Knollenfäule in Irland wiederholt fast die komplette Kartoffelernte. Die dadurch ausgelöste Hungersnot kostete rund eine Million Menschen das Leben. Sie verstärkte in den Jahrzehnten danach die Bestrebungen Irlands nach Unabhängigkeit von Großbritannien, das die Krise durch seine wirtschaftsliberale Politik mit verschärft hatte. Zahllose Menschen wanderten zudem in Folge der Missernten in die Vereinigten Staaten aus. Darunter waren auch die Vorfahren der späteren US-Präsidenten John F. Kennedy und Joe Biden.

Noch heute ist die Kraut- und Knollenfäule unter Landwirtinnen und Landwirten gefürchtet. Denn auch die modernen Sorten haben dem Auslöser der Erkrankung – dem mikroskopisch kleinen Eipilz Phytophthora infestans – nur wenig entgegenzusetzen. „Der Erreger hat die Gabe, Resistenzen immer wieder zu durchbrechen“, erklärt die Privatdozentin Dr. Sophia Sonnewald vom Lehrstuhl für Biochemie an der FAU. „Es gibt zwar wirksame Fungizide, die den Mikroorganismus abtöten. Doch in der ökologischen Landwirtschaft ist ihr Einsatz streng reglementiert.“

Stabile Zuchtlinien erfordern einen langen Atem

Das Projekt mit dem Kürzel KarOLa (das Akronym steht für „Kartoffelzüchtung auf Stresstoleranz und Verarbeitungseignung für den ökologischen Landbau“) geht daher einen anderen Weg: Die beteiligten Institutionen versuchen, neue Kartoffelsorten zu züchten, die gegenüber der Kraut- und Knollenfäule weitgehend unempfindlich sind. Ein Problem dabei: „Oft sind eingekreuzte Resistenzen nicht stabil, sondern gehen wieder verloren, wenn man im weiteren Züchtungsverlauf auf Merkmale wie einen hohen Ertrag hin selektiert“, sagt Sonnewald. „Wir möchten aber Sorten erhalten, die unempfindlich gegen Krankheiten und Schädlinge sind, gleichzeitig Nährstoffe gut verwerten, sich leicht verarbeiten lassen, Dürren gut überstehen und dann auch noch ertragreich sind. Das erfordert einen langen Atem.“

Die Wissenschaftlerin freut sich daher, dass die Förderung auf die relativ lange Laufzeit von fünf Jahren angelegt ist. Sie rechnet damit, dass die Anstrengungen auch danach noch fortgeführt werden müssen – bis alle Zuchtziele erfüllt sind, können durchaus mehrere Jahrzehnte ins Land gehen. „Dennoch ist dieser Ansatz ausgesprochen wichtig – nicht nur für eine umweltschonendere Landwirtschaft, sondern auch in Hinblick auf den Klimawandel, der entsprechend angepasste Sorten erfordert“, sagt sie.

Interdisziplinärer Verbund

In dem Projekt arbeiten die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), das Julius-Kühn-Institut (JKI) in Groß Lüsewitz bei Rostock, das ebenfalls dort angesiedelte Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (LPK) und die FAU mit einem knappen Dutzend Partnern aus Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Bayern zusammen. Darunter sind neben Saatgut-Produzenten auch Ökolandbau-Betriebe und Unternehmen aus der Lebensmittel-Industrie. „Unser Verbund umfasst die gesamte Wertschöpfungskette, angefangen von der Züchtung über den Anbau bis zur Verarbeitung der Kartoffeln“, erläutert Adolf Kellermann von der LfL, der das Vorhaben koordiniert. „Dadurch berücksichtigen wir nicht nur die besonderen Qualitäts-Anforderungen im Ökolandbau, sondern auch die der verarbeitenden Unternehmen.“

Kartoffelknollen. (Foto: Sophia Sonnewald)
Kartoffelknollen. (Foto: Sophia Sonnewald)

Die Beteiligten wollen aber nicht nur neue Sorten mit möglichst günstigen Eigenschaften züchten. „Uns interessiert auch, wie diese Eigenschaften auf biologischer Ebene zustande kommen“, betont Sophia Sonnewald. „Wenn wir etwa sehen, dass eine unserer Sorten besonders resistent gegen die Kraut- und Knollenfäule ist, möchten wir den Mechanismus dahinter verstehen: Welche Gene sind dafür verantwortlich, und was bewirken sie genau? Ähnlich sieht es aus, wenn wir die Dürre- bzw. Hitzetoleranz oder die Effizienz der Nährstoffverwertung steigern konnten.“ Das Projekte könnte so helfen, biologische Prinzipien zu identifizieren, die sich eventuell auch auf andere Kulturpflanzen übertragen lassen.

Weitere Informationen:

PD Dr. Sophia Sonnewald
Lehrstuhl für Biochemie
Telefon: +49 9131 85-25239
sophia.sonnewald@fau.de