Forschende „filmen“ die Aktivierung eines wichtigen Rezeptors

Das Bild zeigt symbolisch einen Filmstreifen auf weißem Hintergrund. Oben rechts ist das Icon einer Filmkamera zu sehen, links unten typische Icons zum Abspielen eines Films. Im Filmstreifen sind 5 Szenen zu sehen, die die Standbilder zeigen. Die Forschenden haben den Komplex aus Rezeptor (violett) und G-Protein (gelb und blau) zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Aktivierung eingefroren. Unter dem Mikroskop erhielten sie so eine Reihe von Standbildern, aus denen sie die molekularen Änderungen während der Aktivierung Schritt für Schritt nachvollziehen konnten. In dem gezeigten Ausschnitt dieser Sequenz ist zum Beispiel zu sehen, wie ein Teil des G-Proteins (gelb) entlang eines Scharniers (roter Pfeil) mehr und mehr umklappt, bis die Öffnung sich schließt. (Bild: FAU / Stefan Löber)
Die Forschenden haben den Komplex aus Rezeptor (violett) und G-Protein (gelb und blau) zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Aktivierung eingefroren. Unter dem Mikroskop erhielten sie so eine Reihe von Standbildern, aus denen sie die molekularen Änderungen während der Aktivierung Schritt für Schritt nachvollziehen konnten. In dem gezeigten Ausschnitt dieser Sequenz ist zum Beispiel zu sehen, wie ein Teil des G-Proteins (gelb) entlang eines Scharniers (roter Pfeil) mehr und mehr umklappt, bis die Öffnung sich schließt. (Bild: FAU / Stefan Löber)

Einem internationalen Forschungsteam, darunter der Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie (Prof. Dr. Peter Gmeiner), ist es gelungen, die Aktivierung eines wichtigen Rezeptors zu „filmen“. Dazu haben sie die beteiligten Moleküle zu verschiedenen Zeitpunkten eingefroren und unter dem Elektronenmikroskop fotografiert. Die so erhaltenen Standbilder konnten sie dann zu einer Sequenz zusammensetzen. Diese zeigt Schritt für Schritt, welche räumlichen Änderungen der Rezeptor bei seiner Aktivierung durchläuft. An der Studie waren Forschende der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) maßgeblich beteiligt. Die Ergebnisse, die nun in der Fachzeitschrift Nature erschienen sind, könnten mittelfristig zur Entwicklung besserer Medikamente beitragen.*

Zellen kommunizieren über Signalmoleküle miteinander, die sie mit speziellen Empfänger-Strukturen wahrnehmen, den Rezeptoren. Diese sind in der Zellmembran eingebettet – das ist die Hülle, die die Zelle umgibt. Eine besonders wichtige Gruppe von Rezeptoren sind die sogenannten GPCRs. Wenn ein zu ihnen passendes Signalmolekül an ihre Außenseite andockt, wird dadurch eine komplexe Reaktionskette ausgelöst: Der Rezeptor ändert dabei seine räumliche Struktur und aktiviert dadurch auf der Zell-Innenseite ein sogenanntes G-Protein, das an ihn gebunden ist. Dieses Protein löst sich; es kann dann beispielsweise zu einem Enzym in der Zelle diffundieren und es regulieren oder die Ablesung bestimmter Gene an- oder abschalten.

„Es gibt beim Menschen mehr als 800 GPCRs, von denen jeder auf die Wahrnehmung eines spezifischen Signals spezialisiert ist“, erklärt Prof. Dr. Peter Gmeiner vom Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie an der FAU. „Wir haben in unserer Studie einen ganz bestimmten davon untersucht – den b2-adrenergen Rezeptor. Er wird durch Adrenalin aktiviert und spielt beispielsweise bei der Regulation der Lungen- und Herzfunktion eine Rolle.“ Er ist daher auch ein wichtiger möglicher Ansatzpunkt für Medikamente, die etwa gegen Asthma oder bei einer Herzinsuffizienz helfen können. „Dazu ist es aber wichtig, die Aktivierung des Rezeptors und des an ihn gekoppelten G-Proteins genau zu verstehen“, sagt Gmeiner.

Die jetzt publizierten Ergebnisse könnten dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Dem internationalen Team unter Leitung von Georgios Skiniotis (Stanford University) und Mitwirkung von Brian Kobilka (Stanford University), Peter Hildebrand (Universität Leipzig und Charité Berlin) sowie Peter Gmeiner ist es darin gelungen, den Vorgang der Rezeptoraktivierung Schritt für Schritt nachzuvollziehen. Dazu nutzten die Forschenden eine spezielle Methode, die zeitlich aufgelöste Kryo-Elektronenmikroskopie. Dabei wird der Komplex aus Rezeptor und G-Protein kurz nach der Aktivierung bei -150 Grad „schockgefroren“. „Unter dem Mikroskop erhalten wir eine Reihe unterschiedlicher Standbilder“, erklärt Gmeiner. „Unterschiedlich deshalb, weil die Tausenden von Molekülen, die wir mikroskopieren, nie ganz synchron sind. Aufgrund ihrer natürlichen Beweglichkeit gibt es welche, die in einem etwas früheren Stadium der Aktivierung eingefroren wurden, und andere, die sich gerade in einem weiter fortgeschritten Zustand befinden.“

Diese „Schockfrostung“ lässt sich nun zu verschiedenen Zeiten nach der Aktivierung wiederholen. Aus den Fotos, die so entstehen, lässt sich Schritt für Schritt rekonstruieren, was bei diesem Vorgang genau geschieht – und zwar in atomarer Auflösung. „Wir konzentrieren uns in unserer Arbeit vor allem auf die Änderungen der räumlichen Struktur des G-Proteins, die nach Bindung des Wirkstoffs an den b2-adrenergen Rezeptor ausgelöst wird“, erklärt Gmeiner. Dass das Ganze überhaupt funktioniert, ist vor allem einem wichtigen Beitrag seiner Arbeitsgruppe geschuldet: Ihr ist es nämlich kürzlich gelungen, eine Art „Super-Adrenalin“ herzustellen, das besonders gut an den b2-Rezeptor bindet.

„Durch diese starke Bindung wird der Komplex aus Rezeptor und G-Protein stabilisiert“, sagt der FAU-Wissenschaftler. Normalerweise übernehmen sogenannte Adapter-Eiweiße diese Aufgabe. Sie wirken wie ein molekularer Kaugummi und halten den Komplex zusammen. „Das machen sie aber so gut, dass sich unter dem Kryo-Mikroskop gar keine Zwischenschritte der Aktivierung mehr beobachten lassen“, erklärt Gmeiner. Dank seines „Super-Adrenalins“ konnten die Forschenden auf die Adapter-Eiweiße verzichten – der Rezeptor-G-Protein-Komplex ist auch ohne sie stabil genug. „Erst dadurch ließen sich die Bewegungsvorgänge sichtbar machen.“

Die Ergebnisse können möglicherweise die Entwicklung neuer Arzneistoffe erleichtern – und zwar nicht nur solcher, die auf den b2-adrenergen Rezeptor wirken. Denn GPCRs gelten allgemein als zentral für die Bekämpfung von Krankheiten. Fast ein Drittel der heute zugelassenen Arzneistoffe beeinflussen die Funktion dieser Rezeptoren – etwa indem sie die Übertragung der Signale in die Zelle verstärken oder abschwächen. „Die zeitaufgelöste Kryo-Elektronenmikroskopie erleichtert es, besonders effektive, zielgenaue und damit nebenwirkungsarme Wirkstoffe zu entwickeln“, hofft Gmeiner.

Ein genaues Verständnis der molekularen Arbeitsweise der Rezeptoren und ihrer G-Proteine ist dafür immens wichtig. Das dokumentiert auch der Nobelpreis, den Brian Kobilka – einer der Beteiligten der aktuellen Publikation – vor einigen Jahren erhalten hat: Ihm war es erstmals gelungen, die dreidimensionale Struktur eines GPCRs mit Hilfe der sogenannten Röntgenkristallographie aufzuklären – und zwar in drei unterschiedlichen Zuständen mit atomarer Auflösung. Auch dabei kam bereits ein von der Arbeitsgruppe von Peter Gmeiner maßgeschneiderter Wirkstoff zum Einsatz.

* https://www.nature.com/articles/s41586-024-07153-1

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Peter Gmeiner

Department Chemie und Pharmazie
Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie ( Prof. Dr. Gmeiner)