Fettsäuren als Türöffner für mRNA
Das Auftreten des SARS-CoV 2 Virus zeigt auf sehr eindrückliche Weise, wie unsere heutige Gesellschaft immer noch anfällig für hochinfektiöse Atemwegserkrankungen ist. Im Gegensatz zu früheren Pandemien ist es jedoch der modernen Medizin innerhalb weniger Wochen nach dem weltweiten Auftreten des Virus gelungen, eine Palette von höchst effektiven Impfstoffen zu entwickeln. Überraschenderweise zeigten vor allem die neuartigen mRNA-Impfstoffe herausragende Erfolge in der Verhinderung schwerer COVID-19 Verläufe.
mRNA-Impfstoffe basieren auf dem Prinzip, dass speziell entwickelte mRNA in menschliche Zellen eingeschleust werden kann, um dort virale Proteine zu produzieren. Impfstoffe der Firmen Moderna und BioNTech & Pfizer verwenden hierfür ein Protein des Coronavirus, welches essenziell für den Eintritt des Virus in menschlichen Zellen ist. Die daraufhin produzierten Antikörper sind damit sehr effektiv, um bei einer echten Infektion die Reproduktion des Virus im Körper zu unterbinden.
Zwei zentrale Probleme in der Entwicklung dieser Impfstoffe waren die hohe Instabilität der mRNA und die geringe Menge, die schlussendlich in den Zellen landet. Als Lösung wurden schließlich Fettmoleküle, sogenannte Lipide, verwendet, um die mRNA in kleine Lipidtröpfchen einzuhüllen. Diese werden als Lipidnanopartikel bezeichnet, sie schützen nicht nur die mRNA gegen einen frühzeitigen Abbau, sondern formen zudem einen effizienten Transporter für mRNA in die Zelle.
In den letzten Jahren wurde intensiv daran gearbeitet, die Komposition und die Struktur dieser Lipide zu verbessern, um das Risiko potenzieller Nebenwirkungen zu minimieren, aber auch um ihre Effizienz zu maximieren. Lipidnanopartikel in den jetzigen Impfstoffen bestehen aus nur vier verschiedenen Komponenten. Zwei davon sind ein sogenanntes Phospholipid und Cholesterin, die auch natürlich in menschlichen Zellen vorkommen. Die zwei verbleibenden Lipidarten wurden speziell für die Anwendung in Impfstoffen entwickelt. Das Polymer-Lipid „ALC-0159“ stabilisiert das Lipidnanopartikel während der Lagerung und verlängert seine Aufenthaltsdauer im menschlichen Körper. Das wichtigste Lipid ist das Aminolipid „ALC-0315“, es erhöht während der Herstellung den Anteil an mRNA, der von den Lipidnanopartikeln eingeschlossen wird. In der Zelle soll es schließlich als eine Art Sensor dienen, um die mRNA wieder aus den Lipidnanopartikeln freizusetzen.
Dieser zentrale Mechanismus ist jedoch kaum verstanden, obwohl er eine Schlüsselrolle für die weitere Verbesserung und Weiterentwicklung der Impfstoffe einnehmen könnte. Genauso wenig ist auch über die molekulare Organisation der Lipidnanopartikel bekannt, wie Lipidnanopartikel aufgebaut sind.
In der nun im Biophysical Journal publizierten Arbeit wurde eine Art computergestütztes Mikroskop verwendet, um mehr über den Aufbau des BioNTech & Pfizer Impfstoffes zu lernen. Computersimulationen zeigen, dass die Lipidnanopartikel einen Kern aus dem Aminolipiden und Cholesterin besitzen, der umhüllt ist von einer Schicht aus Phospholipiden, Cholesterin und Polymer-Lipiden. Innerhalb dieses Kerns kann mRNA eingeschlossen werden, um sie so vor äußeren Einflüssen abzuschirmen. Ändert sich die Umgebung des Lipidnanopartikels, z.B. nach der Aufnahme durch die Zelle, kann sich diese Struktur auflösen, und setzt dabei die mRNA wieder frei.
Es wird erwartet, dass dieser erste atomare Einblick in den Aufbau und die Organisation von Lipidnanopartikeln dazu beiträgt, diese nur 1/10.000stel Millimeter großen ‚Schleuser‘ für einen noch effizienteren Transport von mRNA und für andere Wirkstoffe z.B. in der Krebstherapie weiterzuentwickeln.
Publikation
Marius F.W. Trollmann and Rainer A. Böckmann. mRNA lipid nanoparticle phase transition. Biophys. J. (2022) https://doi.org/10.1016/ j.bpj.2022.08.037
Kontakt
Prof. Rainer Böckmann
Computational Biology
Department Biologie & Erlangen National High Performance Computing Center (NHR@FAU)
FAU
rainer.boeckmann@fau.de