Eintopf in der Jungsteinzeit
Lebensmittelchemiker weist Ernährungsgewohnheiten der Jungsteinzeit in Schottland anhand von Fettrückständen in Keramik nach
Getreide, Milch und Fleisch – schon vor rund 5500 Jahren ernährten sich Menschen in Britannien mit diesen Nahrungsmitteln. Ein Forschungsteam unter Leitung der Universität Bristol und mit Beteiligung der Lebensmittelchemie der FAU wies anhand einer chemischen Analyse der Lipidrückstände gut erhaltener Keramiken nun erstmals nach, dass im Britannien der Jungsteinzeit neben Gerste auch Weizen auf dem Speiseplan stand, der in eigens für diesen Zweck vorgesehenen Tontöpfen zubereitet wurde. Die Ergebnisse der Untersuchung erscheinen in Nature Communications unter dem Titel „Neolithic culinary traditions revealed by cereal, milk, and meat lipids in pottery from Scottish crannogs“.
Der Getreideanbau in Großbritannien reicht etwa bis 4000 v. Chr. zurück und wurde wahrscheinlich von eingewanderten Bauern aus Kontinentaleuropa eingeführt. Darauf deuten spärliche Funde von konservierten Getreidekörnern und anderen Überresten aus dem Neolithikum hin. Zeitgleich verbreitet sich auch die Töpferei. In Keramik-Überresten aus der Jungsteinzeit lassen sich auch heute noch molekulare Fettrückstände finden, die sich im unglasierten Ton des Gefäßes während des Kochens oder der Aufbewahrung festsetzt haben und Hinweise auf Ernährungsgewohnheiten geben können.
Milchbrei und Fleisch
Nun konnten die Forschenden an hervorragend erhaltener, unter Wasser gefundener Keramik aus der Zeit etwa 3600 bis 3300 v. Chr. nachweisen, dass auch Weizen konsumiert wurde; bisher war die Forschung in erster Linie von Gerste als Nahrungsmittel ausgegangen: in Funden von Samenresten war verbrannter Weizen als Hinweis der Verwendung für Mahlzeiten unterrepräsentiert. Es ließ sich auch erstmals direkt nachweisen, dass die steinzeitlichen Nutzer den Weizen mit Milch in nur dafür genutzten Tontöpfen kochten; Fleisch wurde in anderen, etwas größeren Gefäßen zubereitet. „Dies ist in mehrfacher Hinsicht ein spannender Befund“, erklärt Prof. Dr. Simon Hammann, Juniorprofessur für Lebensmittelsicherheit und -qualität an der FAU, der die chemische Analyse der Lipidrückstände durchführte. „Er zeigt, dass auch Getreide-Biomarker unter günstigen Bedingungen, wie Luftabschluss unter Wasser, auch über mehr als fünf Jahrtausende erhalten bleiben können. Damit kann die Lipidanalyse die archäobotanische Methoden bei der Erforschung von Beginn und Verbreitung des Ackerbaus, aber auch die kulturgeschichtliche Forschung, unterstützen.“
Doch wie funktioniert die chemische Analyse von Lipiden in Keramik? Die Fette sind beim wiederholten Kochen und Braten oder durch längere Lagerung von der porösen Matrix der Tongefäße absorbiert worden und haben dort zum Teil mehrere Jahrtausende überdauert. Mittels Gaschromatographie und Massenspektrometrie werden die biomolekularen Komponenten entschlüsselt – es entsteht ein chemischer Fingerabdruck, der zusammen mit einer Bestimmung des Verhältnis der Kohlenstoffisotope der Fettsäuren (δ13C) die Identifikation der einst verwendeten Nahrungsmittel ermöglicht.
Rätselhafte künstliche Inseln
Die untersuchte Keramik selbst ist reichverziert und wurde im Umfeld sogenannter Crannogs gefunden. Dies sind künstliche, kleine Inseln, die in einem Gewässer aufgeschüttet wurden, und über deren Nutzung wenig bekannt ist. Für das Projekt untersuchte das Team vier solcher Crannogs auf den Hebriden, einer Inselgruppe vor der Nordwestküste Schottlands. Aufgrund der Verzierungen und des Erhaltungszustandes der Keramik, könnten die Gefäße und die Mahlzeiten zeremoniellen Zwecken gedient haben. „Die Ergebnisse gewähren uns einen Einblick in die kulinarischen Traditionen der frühen Bauern, die am nordwestlichen Rand Europas lebten und über deren Lebensweise wenig bekannt ist“, sagt Projektleiterin Dr. Lucy Cramp von der Universität Bristol. „Außerdem erhalten wir damit einen ersten Einblick in die Art von Praktiken, die mit diesen rätselhaften Crannogs verbundenen waren.“
Weitere Informationen zum chemischen Analyseverfahren
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Simon Hammann
Juniorprofessur für Lebensmittelsicherheit und -qualität
Tel.: 09131/85-65391
simon.hammann@fau.de