Tränenformiger Stern auf dem Weg zur Supernova

Der tränenförmige Stern gibt Masse an seinen Sternpartner ab – in etwa 70 Millionen Jahren werden sie in der Supernova explodieren. Bild: University of Warwick/Mark Garlick
Der tränenförmige Stern gibt Masse an seinen Sternpartner ab – in etwa 70 Millionen Jahren werden sie in der Supernova explodieren. Bild: University of Warwick/Mark Garlick

FAU-Astronomen untersuchen besonderes Sternsystem, bevor es explodieren wird

Zwei Sterne, die sich immer schneller umkreisen und schließlich so hell leuchten wie unsere ganze Galaxie: Auch wenn sie sich in der Milchstraße nur etwa alle 400 Jahre beobachten lassen, sind Supernovae eigentlich nichts Besonderes. Nacht für Nacht werden Spezialteleskope ein- oder zweimal fündig – schließlich gibt es Millionen von Galaxien im Universum. Was jedoch etwas Besonderes ist: himmlische Kandidaten zu entdecken, die für astronomische Verhältnisse schon bald, also in etwa 70 Millionen Jahren, in einer Supernova enden werden. Dies ist einem internationalen Forschungsteam unter der Leitung der Universität Warwick gelungen – einen wichtigen Beitrag leisteten Astronomen der FAU. Ihre Ergebnisse haben sie nun in der renommierten Fachzeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht.

Auf die Spur gekommen sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dem Doppelsternsystem mit dem Namen „HD 265435“ durch die ungewöhnlichen Lichtvariationen eines tränenförmigen Sterns. Die besondere Form wird durch einen massereichen Weißen Zwerg in der Nähe verursacht, der den Stern mit seiner intensiven Schwerkraft verzerrt, was auch der Katalysator für eine mögliche Supernova sein wird – eines von nur sehr wenigen bisher entdeckten Sternsystemen, in denen eines Tages der Kern eines Weißen Zwergsterns wiederentzündet wird.

Das Doppelsternsystem befindet sich in etwa 1.500 Lichtjahren Entfernung und besteht aus einem Heißen Unterzwergstern und einem Weißen Zwergstern. Weiße Zwerge sind „tote“ Sterne, die ihren gesamten Brennstoff verbrannt haben und in sich zusammengefallen sind, was sie klein, aber extrem dicht macht: Der Weiße Zwerg in dem entdeckten Sternsystem ist zwar fast so schwer wie unsere Sonne, hat aber nur einen geringfügig kleineren Durchmesser als die Erde.

Es wird angenommen, dass eine Supernova vom Typ Ia entsteht, wenn der Kern eines Weißen Zwergsterns wieder aufflammt und eine thermonukleare Explosion auslöst. Es gibt zwei Szenarien, in denen dies passieren kann. Im ersten Fall gewinnt der Weiße Zwerg genug Masse, um das 1,4-Fache der Sonnenmasse zu erreichen, was als Chandrasekhar-Limit bekannt ist. HD 265434 passt jedoch in das zweite Szenario, bei dem die Gesamtmasse eines Sternsystems aus mehreren Sternen nahe oder über dieser Grenze liegt. Bisher wurden nur wenige andere Sternsysteme entdeckt, die diesen Grenzwert erreichen und zu einer Supernova vom Typ Ia führen werden.

Direkt beobachten lässt sich jedoch nur der Heiße Unterzwergstern, sein Partner, der Weiße Zwergstern, leuchtet sehr schwach. David Schneider, Doktorand der Dr. Karl-Remeis-Sternwarte Bamberg – Astronomisches Institut der FAU, hat sich gemeinsam mit Prof. Dr. Ulrich Heber und Dr. Andreas Irrgang insbesondere mit den Eigenschaften des sichtbaren Sterns auseinandergesetzt und legte so die Grundlage für die weitere Erforschung des Doppelsternsystems. Dafür werteten die Astronomen die Daten von zwei Teleskopen, dem Keck-Teleskop auf Hawaii und dem Hale-Teleskop in Kalifornien, aus, um so auf die Temperatur und Dichte zu schließen. Mit Hilfe hochgenauer Messungen des Gaia-Satelliten der ESA gelang es ihnen, daraus die Masse zu bestimmen. Das Ergebnis: Die Masse reicht aus, damit der Unterzwergstern genügend Masse an den Weißen Zwerg abgeben kann. Und nachdem sich die beiden Sterne bereits jetzt in nur etwa 100 Minuten umkreisen, sind sie sich auch nahe genug, dass der Weiße Zwerg in etwa 70 Millionen Jahren unweigerlich in einer Supernova explodieren wird.Sein Begleiter wird dann mit ihm verschmelzen. „Dass ich die Chance habe, an einer solch außergewöhnlichen Entdeckung mitzuarbeiten, ist das, wovon andere Doktorandinnen und Doktoranden träumen. Ich bin gespannt, was wir in den kommenden Jahren über das Doppelsternsystem noch herausfinden werden – oder ob es uns sogar gelingt, noch weitere Supernova-Kandidaten ausfindig zu machen“, sagt David Schneider.

Was die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besonders freut: Sie können das Doppelsternsystem nun genauer untersuchen, um auf diese Weise mehr darüber zu erfahren, wie es zu Supernovae kommt und was dabei genau physikalisch abläuft. Denn das liegt bisher weitgehend im Dunkeln. Darüber hinaus werden Supernovae solcher Sternsysteme, besser gesagt ihre vergleichsweise konstante Helligkeit und ihre spezifische Helligkeitsänderung während der Explosion, zur Vermessung des Universums verwendet: Sie dienen als sogenannte Standardkerzen. Dafür vergleichen Astronominnen und Astronomen die Helligkeit mit dem, was auf der Erde beobachtet wird, und können dadurch mit hoher Genauigkeit die Entfernung der Supernova berechnen. Durch die Beobachtung von Supernovae in fernen Galaxien kombinieren Astronomen ihr Wissen über die Geschwindigkeit dieser Galaxie mit unserer Entfernung von der Supernova und berechnen so die Ausdehnung des Universums.

Hauptautorin Dr. Ingrid Pelisoli von der University of Warwick erklärt: „Je mehr wir verstehen, wie Supernovae funktionieren, desto besser können wir unsere Standardkerzen kalibrieren. Dies ist aktuell sehr wichtig, da es eine Diskrepanz zwischen den Daten, die wir mit dieser Art von Standardkerzen erhalten, und den Informationen, die wir durch andere Methoden bekommen, gibt. Umso mehr wir also darüber wissen, wie sich Supernovae bilden, desto besser können wir verstehen, ob diese Diskrepanz die Ursache neuer Physik ist, die wir nicht kennen, oder ob wir einfach die Ungenauigkeiten bei diesen Entfernungen unterschätzen.“

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Ulrich Heber
Tel.: 0951/95222-14
ulrich.heber@fau.de