FAU-Geograph über den Umgang mit der Corona-Krise und ihre Auswirkungen
Der Mensch und die Krise
Erdbeben, Hochwasser, Dürren oder Pandemien – mit solchen Extremereignissen muss die Menschheit regelmäßig umgehen. Prof. Dr. Fred Krüger, Professor für Geographie an der FAU, setzt sich in seiner Forschung mit diesen Risiken und Katastrophen auseinander. Mit FAU-Präsident Prof. Dr. Joachim Hornegger spricht er über die Corona-Pandemie, den Umgang mit der Krise und über ihre Auswirkungen.
Ein hohes Maß an Verunsicherung, das Aufdecken von Versorgungslücken – Hamsterkäufe – und Koordinationsschwierigkeiten: „In der Krise hat sich sehr schnell herausgestellt, dass es teilweise geradezu prototypische Prozesse gegeben hat und noch gibt, wie sie für eine Krise charakteristisch sind“, bewertet Professor Krüger die erste Pandemie, die er im eigenen Land miterlebt.
Doch wieso hat uns die Krise dann so getroffen – trotz des prototypischen Ablaufs und der vorhandenen Pandemiepläne? „Zum einen muss man nochmal betonen, dass letztlich auch bei uns in Deutschland die Pandemiepläne sehr gut gegriffen haben“, erläutert Krüger. Da Krisen sehr komplex verlaufen, wirkten allerdings bereits länger bestehende gesellschaftliche Missstände – wie beispielsweise die teilweise mangelhafte Ausstattung im Pflegebereich, die Arbeitsbedingungen in der Fleisch- und Agrarindustrie oder die Benachteiligung mancher Schülerinnen und Schüler aus schwierigen Familienverhältnissen – plötzlich besonders massiv. „Die Krise – und auch eine Katastrophe – wirkt wie eine Kontrastfolie und deckt Dinge auf, die ohnehin schon existieren, aber jetzt besonders hervortreten“, erklärt Krüger.
Ein weiteres Problem ist die Ökonomisierung von Krisen: „Eine Katastrophe ist ein riesiger Markt. Paradoxerweise kann man mit einer Katastrophe viel Geld verdienen, mit der Prävention allerdings nicht“, sagt Professor Krüger. Denn die Lagerung von Schutzkleidung oder das Vorhalten von Intensivbetten kostet viel Geld und wird daher systematisch heruntergefahren, was im Ernstfall gravierende Folgen haben kann.
Prof. Krüger und Prof. Hornegger sprechen zudem darüber, wieso verschiedene Länder unterschiedlich stark vom Virus getroffen werden: „Die Fähigkeit von Gesellschaften, mit Krisen und Katastrophen umzugehen, ist auch davon abhängig, wie leicht es diesen Gesellschaften fällt, ihre Routinen, ihr Denken, ihre Handlungsweisen zu verändern im Blicke der kritischen Ereignisse“, betont Krüger.
Wichtig sind zudem die gesellschaftlichen Handlungsspielräume: Selbst bei einer guten Krisenpolitik fällt es Menschen in manchen Ländern nicht leicht, diese auch zu befolgen. „Die alltägliche Lebenshaltung an anderen Orten dieser Erde ist davon geprägt, dass Menschen quasi täglich von der Hand in den Mund leben müssen, dass sie überhaupt gar keine Möglichkeit haben, auch nur für eine Woche, geschweige denn noch länger, ihre Lebenshaltung abzusichern.
Und dann nützen Ausgangssperren – so restriktiv, wie sie zum Beispiel in Südafrika gehandhabt werden, – oder andere Verordnungen nichts, wenn Menschen ihr Haus verlassen müssen, um ihren Lebensunterhalt sichern zu können.“ Auch die Gesundheitsinfrastruktur ist teilweise erheblich schlechter ausgebaut, so dass die Maßnahmen nicht umgesetzt werden können.
Um den Umgang mit solchen Krisen zu verbessern und die gravierenden Folgen zu verringern, müssen kritische Schwachstellen identifiziert und beseitigt werden, auf die das System nicht vorbereitet ist. Außerdem müssen Basismissstände behoben werden – sei es, wenn es um die Medikamentenproduktion außerhalb von Europa geht, um fehlende Notfallmaterialien oder den Pflegenotstand.
Im Gespräch mit dem FAU-Präsidenten erläutert Professor Krüger zudem, warum Gesellschaften unterschiedlich mit Krisen umgehen, insbesondere in den Ländern des sogenannten „Globalen Südens“. Weiter vergleicht er die COVID-19-Pandemie mit anderen Pandemien, wie beispielsweise AIDS, und erklärt, warum Krisen auch Chancen für Erneuerungen sein können.