Veränderte Spielregeln der Evolution

Satellitenbild einer Algenblüte von Emiliana huxleyi vor SW-England – die kalkigen Schalen färben das Wasser milchig weiß (Foto: NASA)
Satellitenbild einer Algenblüte von Emiliana huxleyi vor SW-England – die kalkigen Schalen färben das Wasser milchig weiß (Foto: NASA)

Umweltfaktoren haben heute einen deutlich geringeren Einfluss auf den Erfolg von Arten als in der Urzeit

Seit über 150 Jahren wird debattiert, ob der Erfolg von Arten hauptsächlich durch Umweltfaktoren wie Klimaveränderungen gesteuert wird oder ob – wie Charles Darwin meinte – Wechselwirkungen zwischen den Arten eine wesentlich größere Rolle spielen. Eine britisch-deutsche Studie unter Beteiligung von Paläobiologe Prof. Dr. Wolfgang Kießling von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hat nun gezeigt, dass der Einfluss von Umweltfaktoren in der Frühzeit der Tierevolution deutlich größer war, aber vor 170 Millionen Jahren erheblich zurückging.

Das Team untersuchte Vorkommen von fossilen Meerestieren der letzten 400 Millionen Jahre. Deren ökologischer Erfolg, gemessen an der Verbreitung von Gattungen, war bis in die Jurazeit hinein stark abhängig von passenden chemischen und klimatischen Bedingungen. Im Jura, vor ca. 170 Millionen Jahren, verschwindet der Zusammenhang – biologische Wechselwirkungen spielen seither vermutlich die Hauptrolle.

Warum dieser plötzliche Umschwung und warum gerade zu dieser Zeit? „Die Antwort ist vermutlich bei mikroskopisch kleinen Planktonorganismen zu suchen. Im Jura begann die Ausbreitung von planktonischen Algen mit Kalkschale. Diese Kalkalgen treiben auch heute noch in gigantischen Mengen im Ozean umher und bilden nach ihrem Absterben Kalksediment auf dem Ozeanboden. Der Kalk wirkt als Puffer gegenüber Säure. Das erleichtert die Bildung von Kalkschalen und erlaubt damit den Tieren, ihre Energie anders zu verteilen“ erklärt Paläobiologe Kießling.

Ein weiterer Erklärungsansatz geht über den Stoffwechsel der Tiere selbst. Die Evolution machte Tiere durchschnittlich immer aktiver. Aktivität geht mit einer verbesserten physiologischen Pufferung einher. Eine Koralle ist der Umwelt stärker ausgeliefert als zum Beispiel eine Schnecke.

Eine höhere Aktivität bedeutet aber auch einen höheren Sauerstoffbedarf. Wieder bieten die Algen eine Erklärung: Plankton mit Schalen sinkt schneller in die Tiefe. Das fördert die Durchlüftung im Flachwasser, weil die Algen erst in größerer Tiefe unter Sauerstoffverbrauch verzehrt werden. Kleine Algen führten vor 170 Millionen Jahren zu einer echten Revolution der evolutionären Spielregeln, die bis heute gelten.

Die Arbeit „Jurassic shift from abiotic to biotic control on marine ecological success” ist in der Zeitschrift Nature Geoscience erschienen.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Wolfgang Kießling
Tel.: 09131/85-22690
wolfgang.kiessling@fau.de