Plötzlich gealtert

Die neu entdeckte coralline Rotalge namens Aguirrea fluegelii in einem Dünnschliff aus 430 Millionen Jahre altem Gestein. (Bild: FAU/Sebastian Teichert)
Die neu entdeckte coralline Rotalge namens Aguirrea fluegelii in einem Dünnschliff aus 430 Millionen Jahre altem Gestein. (Bild: FAU/Sebastian Teichert)

FAU-Paläontologen zeigen, dass coralline Rotalgen bereits 300 Millionen Jahre länger existieren als bisher angenommen

Coralline Rotalgen gibt es seit 130 Millionen Jahren, also seit der Kreidezeit, dem Zeitalter der Dinosaurier. So lautete die gängige Auffassung von Paläontologen weltweit. Diese Einordnung muss nun revidiert werden: Forscher vom GeoZentrum Nordbayern der FAU haben zusammen mit Kollegen von der australischen La Trobe University Fossilien entdeckt, die belegen, dass coralline Rotalgen bereits vor 430 Millionen Jahren existierten.

Die Entdeckung der FAU-Paläontologen Dr. Sebastian Teichert und Prof. Dr. Axel Munnecke sowie ihres australischen Kollegen Dr. William Woelkerling hat weitreichende Folgen. „Durch unseren Fund müssen wir einen ganz neuen Blick auf den Fossilbericht werfen“, erklärt Dr. Sebastian Teichert. Denn bis jetzt galt ein höheres Alter der corallinen Rotalgen als so unwahrscheinlich, dass Fossilien, die in älteren Gesteinsschichten als der Kreidezeit gefunden wurden, allein wegen ihres Alters meist gar nicht erst als coralline Rotalgen in Betracht gezogen wurden. Im Fossilbericht werden alle dokumentierten Vorkommen von Fossilien gesammelt; er bildet die wesentliche Informationsquelle zur Entwicklung des Lebens auf der Erde. Eine Neuauswertung von Fossilien im Bericht könnte den Wissenschaftlern dabei helfen, neu entstandene Fragen zur Entwicklung der corallinen Rotalgen zu beantworten.

Ökosystemingenieure im Entstehen

„Die Tatsache, dass coralline Rotalgen schon so viel früher in der Erdgeschichte auftreten, rückt viele ökologische Zusammenhänge in ein neues Licht“, sagt Teichert. In den heutigen Weltmeeren spielen die Rotalgen eine äußerst wichtige Rolle. Sie sorgen mit ihrem Kalkskelett beispielsweise dafür, dass Korallenriffe in den Tropen stabil bleiben und sogar starken Stürmen gewachsen sind. In der Arktis wiederum übernehmen die Rotalgen die Rolle sogenannter Ökosystemingenieure: Sie stellen durch ihr Wachstum Lebensraum für eine Vielzahl anderer Organismen zur Verfügung.

„Unklar bleibt, weshalb zwischen dem ersten Auftreten der corallinen Rotalgen und dem Zeitraum, in dem sie zu den Ökosystemingenieuren wurden, die sie heute sind, soviel Zeit liegt“, sagt Teichert. „Eventuell brauchte es vom Zeitpunkt ihres Entstehens noch viele Jahrmillionen der Anpassung, bevor die corallinen Rotalgen ihre heutige ökologische Funktion ausüben konnten.“

Ihre Erkenntnisse haben die Wissenschaftler in der renommierten Fachzeitschrift „Palaeontology“ veröffentlicht: https://doi.org/10.1111/pala.12418

Weitere Informationen:

Dr. Sebastian Teichert
Tel.: 09131/85-26958
sebastian.teichert@fau.de